Der böse Taurasteinmann

Der Taurasteinmann schleppt Steine über den ChemnitzflußVor langer, langer Zeit türmten sich die Felsmassen des Taurasteins noch viel höher auf, als dies heutzutage der Fall ist. In den dort zahlreich vorkommenden Höhlen und Gewölben soll sich der Sage nach einst ein Riese wohnlich eingerichtet haben. Mit Vorliebe verbreitete dieser Angst und Schrecken in der Gegend und brachte so manch einsamen Wandersmann fast um den Verstand. In den damals noch undurchdringlichen und dunkeln Wäldern der Region macht sich der grimmige Riese einen besonderen Spaß daraus, des Nachts die Reisenden mit seiner dröhnenden Stimme zu erschrecken. Unsere Vorfahren glaubten, dieses unheimliche Wesen wäre der Teufel höchstselbst. Eines Tages kam es dem Dämon in den Sinn, sich eine neue Burg zu bauen. Als Bauplatz erwählte er sich einen stillen Abschnitt des Chemnitzflußes, der früher Zietsche hieß und heute unter dem Namen Schweizerthal bekannt ist. Damit aber die Bewohner der umliegenden Dörfer nichts von seinem Umzuge bemerkten, schleppte das Ungeheuer nur in finstrer Nacht schwere Steinblöcke vom Taurastein zu seinem neuen Aufenthalt. Er gedachte so, sich Stein für Stein eine neue Höhlenburg zu errichten. Sein Weg führte dabei über die Tauraer Wiesen zwischen Mohsdorf und Taura entlang. Da der Riese trotz seiner Stärke immer mehr Steine mitnahm, als er überhaupt tragen konnte, verlor er des Weges viel von seiner steinigen Last. Da er aber zu faul war die Steine wieder aufzusammeln liegen sie noch heute dort, und manch einer hat sich sicher schon einmal gewundert, woher die Steine dort gekommen sein mögen. Der boshafte Riese hatte jedoch kein Geschick beim Bau seiner neuen Behausung, tagsüber stürzte alles wieder ein, was er des Nacht errichtet hatte. So mühte sich der gewaltige Kerl eine Zeitlang ab, ehe er die Geduld verlor und wütend alle Steine in der Gegend herumwarf. So liegen sie denn heute im Flußbett der Chemnitz, zu Haufen und verstreut an den Talhängen und erregen so das Erstaunen der Menschen. Mit großer Wut im Bauch und voller Ingrimm zog sich der Taurasteinmann wieder in seine Höhle am Taurastein zurück. Zuweilen erschien er den Menschen immer noch als Schreckgespenst. Und wenn in alten Zeiten der Sturmwind in banger Wintersnacht um die Häuser heulte, so rückten die geängstigten Bewohner wohl enger zusammen. Zu den Kindern aber sagten sie: "Hört, der Taurasteinmann geht um !"

Der gute Taurasteinmann

Einer anderen Sage nach soll es sich beim Taurasteinmann um einen friedlichen und zurückgezogenen Riesen gehandelt haben. Dieser soll einsame Wandersleute nicht erschreckt, sondern seine Hand schützend über sie gehalten und so vor großem Unbill bewahrt haben. Wenn sich ein armer Wanderer einmal in den finsteren Wäldern verirrte, half ihm der gutmütige Riese und zeigte ihm den Weg aus der Dunkelheit ins Licht. So rücksichtsvoll und freundlich waren die Menschen jedoch nicht. Als die Stadt Burgstädt nahe des Taurasteins entstand, den sich der Riese als Wohnsitz auserkoren hatte, und mit der Stadt das zugehörige Lärmen und Treiben, sah sich der Taurasteinmann in seiner Ruhe gestört. Um weiteren Ärgernissen aus dem Weg zu gehen, beschloß er seine Behausung an ruhigerem Platze zu errichten. Er fand diese Stelle jenseits des Chemnitzflusses. So machte er sich daran, die alte Höhle Stein für Stein abzutragen, und wenn er eine gehörige Last an Felsbrocken beisammen hatte, packte er sie und brachte sie zur neuen Baustelle. Da der Riese aber ein wenig wasserscheu war, watete er nicht durch den Chemnitzfluß, sondern sprang mit einem Satz von einem Ufer zum anderen. Dabei kam es aber oft vor, daß er ein paar Steine verlor. Diese liegen noch heute im Flußbett und am Berghang hinter Schweizerthal. Vom Sand und Flußwasser sind sie rundgeschliffen und Hocksteinausgewaschen, besser bekannt unter dem Namen Strudeltöpfe. Als die neue Wohnhöhle des Riesen fertig war, lebte er noch lange, zufrieden und in Ruhe. Nach seinem Tode verfiel dann der Bau und angeblich sollen zeitweise Bären dort gehaust haben. Den Bewohnern der Umgebung ist dieser Ort folglich auch als Bärenhöhle bekannt. Gekrönt werden die Reste des Felsmassivs vom Hockstein, einem Felsbrocken, von dem kein Mensch zu sagen weiß, wie er jemals dorthingekommen sei. Die Wahrheit ist, das dies der letzte Stein war, den der Taurasteinmann über die Chemnitz schleppte und ihn ganz oben auf seiner neuen Behausung anbrachte.

Quellen:

  • überliefert, "Aus der Heimat für die Heimat", Beiblatt zum Burgstädter Anzeiger und Tageblatt
  • Bild: F. Schramm nach einer Zeichnung von Horst Schiecke

Stichworte:

Bärenhöhle
Hockstein
Strudeltöpfe oder Riesentöpfe