Artikel vom 26.08.2001

Symbolbild Markersdorf ist ein Steinbruch

Hurra! wir wohnen (bald) im Steinbruch

Auf dem Gebiet der Gemeinde Claußnitz gibt es eine große Menge an Bodenschätzen, an deren Ausbeutung zum Teil schon aktiv gearbeitet wird, zum anderen eine Ausbeutung vorgesehen ist. Gegen die geplanten Abbaufelder wurden ca. 1000 Unterschriften vom Verein für verantwortungsvolle Nutzung des Lebensraumes Claußnitz und Umgebung e.V. im Ort gesammelt und dem Gemeinderat übergeben. In einer Bürgerfragestunde am 18. Juni wurden Anfragen und Forderungen an den Gemeinderat gestellt.

Am 13. August 2001 erfolgte nun die nächste öffentliche Gemeinderatssitzung der Gemeinde Claußnitz. Zu Gast: Herr Remy, Regierungsrat, Rechtsdezernent des Sächsischen Oberbergamtes Freiberg. Herr Remy beantwortete Fragen, die von der Gemeindevertretung nach der öffentlichen Fragestunde am 18. Juni 2001 zu einem Fragenkatalog zusammengestellt, und Herrn Remy zur Beantwortung überlassen worden waren. Hauptstreitpunkt und erster Punkt des Fragenkataloges:

War es richtig, die Bergwerksfelder in den Flächennutzungsplan der Gemeinde zu übernehmen?

Nach Aussage des Herrn Remy ist die Aufnahme der Bergwerksfelder in den Flächennutzungsplan selbstverständlich richtig, aber man hätte auch anders handeln können. Bergbauberechtigungen sind als eigentumsgleiche Rechte nach §5 Absatz 3 Nummer 2 Bergbaugesetzbuch nachrichtlich in den Flächennutzungsplan zu übernehmen. Sollte die nachrichtliche Aufnahme der Bergbauberechtigungen in den Flächennutzungsplan von der Gemeinde nicht erfolgen, so kann der Inhaber der Bergbauberechtigung öffentlich-rechtliche und zivilrechtliche Schritte unternehmen. Eine Bergbauberechtigung stellt auch einen öffentlichen Belang nach der Wertung des §1 des Berggesetzes dar. Würde die Aufnahme in den Flächennutzungsplan nicht erfolgen, so wird vermutlich der Unternehmer, welcher die Rechte an den Bergwerksfeldern besitzt, klagen da er ja schon erhebliche finanzielle Aufwendungen erbracht hat. Voraussichtlich würde nach der geltenden Rechtsauffassung der Unternehmer Recht erhalten und die Gemeinde hätte nicht nur die Gerichts- und Anwaltskosten, sondern auch Schadensersatzkosten zu tragen. Denn die Gemeinde hat in diesem Falle den Abbau verzögert oder ganz verhindert und somit sind dem Unternehmer Verluste entstanden, welche er geltend machen kann. Dies wäre also mit einem hohen finanziellen Risiko für die Gemeinde verbunden.

Da stellt sich zum einen die Frage, was mit den finanziellen Aufwendungen ist, welche die betroffenen Grundstückseigentümer und Anlieger getätigt haben, z.b. in die Grundstücke und in neues Wohneigentum. Zählen diese finanziellen Aufwendungen nichts? Oder haben Investitionen von Unternehmen einen höheren Stellenwert als private Investitionen? Zum anderen wird immer auf ein hohes finanzielle Risiko der Gemeinde (im Falle einer Klage des Unternehmers) hingewiesen. Ist das Panikmache? Kann in diesem Staate nur der sein Recht einklagen, der genügend finanzielle Mittel zur Verfügung hat? Soll die Gemeinde dadurch beeinflusst werden einer gerichtlichen Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen? Klar ist, dass man vor Gericht verlieren kann. Dabei liegt die Betonung auf kann! Wollen sich also die Gemeinderäte, bzw. will sich die Gemeinde fragen lassen, ob man wirklich alles in Ihrer Macht stehende getan hat, um dem Ansinnen der Bürger Ausdruck zu verleihen? Zudem schien die Beantwortung dieser Frage zur Rechtfertigung der Gemeinderäte (Eintrag der Bergbauberechtigungen in den Flächennutzungsplan muss erfolgen) zu dienen. Einzig Frau Dr. Otto scheint Willens zu sein, sich für die Rechte der Bürger der Gemeinde zu engagieren.

Durch Frau Dr. Otto wurde auch die Sprache auf die sogenannte DeMaziere - Verordnung gebracht durch die es den Unternehmen möglich war, sich die Bergbauberechtigungen für Bodenschätze anzueignen. Durch die DeMaziere Verordnung (1990) wurde auf dem Gebiet der ehemaligen DDR dem Oberflächengrundstückseigentümer das Eigentumsrecht über die Bodenschätze entzogen. Die Bodenschätze wurden somit herrenlos. Die Bergbauunternehmer sollten so ermuntert werden diese Rechte, natürlich unter Beachtung der Vorraussetzungen des Bundesberggesetzes, zu erwerben. Durch die Verleihung der Bergbauberechtigung erwirbt der Bergbauunternehmer das alleinige Recht den Bodenschatz auszubeuten und sich anzueignen. Der Oberflächeneigentümer musste darüber nicht informiert werden. Die Treuhandanstalt sollte also diese Rechte zu Geld machen, welches letztendlich dem Bund zufloss. Die Bergbauberechtigung für das Feld Hugo in Markersdorf (Gemeinde Claußnitz) wurde kurz vor Auslauf dieser Regelung erteilt. Ein Schelm wer böses dabei denkt, oder? Im Gegensatz dazu gehören in den alten Bundesländern die Bodenschätze zum Grundbesitz.

Auch 10 Jahre nach der Wiedervereinigung stoßen insbesondere bei Eigentumsstreitigkeiten immer wieder Ost und West aufeinender. Speziell im Falle der Bergbauberechtigungen kann man also durchaus von einem Verkauf der DDR sprechen.

Nicht nur die Gemeinde Claußnitz, sondern auch die Nachbargemeinde Taura ist durch einen in Aussicht stehenden Gesteinsabbau bedroht. Einen schalen Nachgeschmack hinterlässt dabei die Aussage der Sandwerke Biesern (Eigentümer der Bergbauberechtigungen für die Felder Bernd in Taura und Hugo in Markesdorf, Gemeinde Claußnitz), dass nur eines der beiden Felder zum Abbau vorgesehen ist. Dadurch sollen offenbar beide Gemeinden gegeneinander ausgespielt werden. Sinnvoll wäre eigentlich, wenn beide Orte gemeinsam gegen die drohende massive Beeinträchtigung der Lebensqualität in den Gemeinden vorgehen würden. In Taura verleiht man dem Bürgerwillen in jedem Falle Ausdruck: Man hat Widerspruch gegen das Feld Bernd eingelegt, und geht nun auch gerichtlich dagegen vor. In der öffentlichen Sitzung am 13. August war beispielsweise der Bürgermeister von Taura zugegen. Gleiches Engagement sollte man zumindest von der Gemeinde Claußnitz erwarten. Ein vernünftiger Rechtsbeistand kostet sicherlich auch Geld, aber werden zum Wohle der Bürger der Gemeinde nur Aktionen oder Anstrengungen unternommen, die kein Geld kosten? Das Wohl der Bürger des eigenen Ortes sollte schon ein Anliegen des Gemeinderates sein.

Beim Feld Hugo läuft schon das Raumordnungsverfahren, die rechtlichen Genehmigungen für vier Probebohrungen für das Feld Hugo (Größe 71 Ha) liegen inzwischen alle vor. Die Grundstückseigentümer haben jedoch jegliche Probebohrungen bis jetzt verweigert. Das Unternehmen (Sandwerke Biesern) strengt ein Streitentscheidverfahren an. Diese Probebohrungen können, laut Aussage Herr Remy, nur durch entgegenstehende öffentliche Interessen oder Belange (öffentliche Belange ist ein definierter Rechtsbegriff) verhindert werden, was jedoch eher unwahrscheinlich ist. Natürlich kann jeder Grundstückeigentümer dagegen klagen, er trägt dann jedoch das alleinige Prozesskostenrisiko. Das ganze hat auch ein wenig den Anschein einer Einschüchterung der Grundstückseigentümer.

Natürlich versuchen die Abbauunternehmen möglichen rechtlichen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen und sich mit dem Eigentümer gütlich zu einigen. Man sollte sich aber nicht alles einfach so gefallen lassen. In ähnlichen Fällen wurde den betroffenen Grundstückseigentümern von einer Initiativgruppe geraten, nicht zu verkaufen, denn an Felder in denen noch nicht abgebaut wird, geht das Abbauunternehmen sehr vorsichtig ran. Außerdem haben die beiden ersten Grundabtretungsverfahren (ob damit wohl Enteignung gemeint ist?) in der Öffentlichkeit ziemlich hohe Wellen geschlagen. In einem Fall hat sich sogar ein Betroffener das Leben genommen. Dies zeigt auch, dass man die Sorgen und Ängste der Betroffenen nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte.

Ist im Flächennutzungsplan der Gemeinde prognostisch eine Nutzung (Gewerbegebiet, Wohnbebauung) der umstrittenen Flächen vorgesehen und auch nachvollziehbar, so würde wahrscheinlich eine Abbaugenehmigung nicht erteilt. Nur liegt es an der Gemeinde dies richtig umzusetzen. Ein Argument und ein Schritt in der richtigen Richtung ist doch eigentlich die geplante Wohnbebauung auf dem Gelände der ehemaligen Russenkaserne in Markersdorf. Warum wird diese dem Gesteinsabbruch entgegenstehende Wohnbebauung nicht konsequent durchgezogen?

Im Bundesemissionsschutzgesetz sind bestimmte Kriterien aufgeführt, die bei Gesteinsabbau in jedem Falle eingehalten werden müssen. Nach Aussagen des Herrn Remy sind jedoch beispielsweise Abbau und Sprengungen in einer Entfernung von 350 Metern hinzunehmen. Da in der weiteren Umgebung und im Speziellen in der Gemeinde Claußnitz schon eine unglaubliche Häufung von Kiesgruben und Steinbrüchen besteht, taucht auch die Frage auf, in welchem Maße diese Felder eine Rolle bei der Erteilung einer weiteren neuen Abbaugenehmigung für ein anderes Bergbaugebiet spielen. Unverständlich ist auch, daß durchaus die Möglichkeit zu bestehen scheint, alle in einer Gemeinde vorhandenen Bergbaufelder nacheinander abzubauen, da in diesem Falle die Belastung der Gemeinde nicht über den oberen Grenzwert steigen würde. Kann es wirklich angehen, daß die Bürger einer Gemeinde diese massive Verschlechterung Ihrer Lebensqualität und Umgebung, hinnehmen müssen?

Herr Remy bestätigte aber auch, dass Landschaftsschutz einen hohen Stellenwert genießt. Im Streitfall bedarf es wiederum der Klärung was war zuerst da, Huhn oder Ei, beziehungsweise Landschaftsschutz oder Bergbauberechtigung. Doch sollte der Landschaftsschutz schon länger als etwaige Bergbaurechte bestehen, gibt es auch hier wieder die Möglichkeiten von Ausnahmeregelungen.

Angesprochen wurden auch rechtliche Gründe gegen die Erteilung einer Abbaugenehmigung. Beispielsweise können vorgebracht werden:

  • Landschaftsschutzgebiet,
  • Beeinträchtigung des Trinkwassers,
  • Gebiet ist eine Landwirtschaftliche Nutzfläche,
  • Dimensionen des geplanten Abbaus und bestehende Felder,
  • Belastung durch den zu erwartenden Schwerlastverkehr,
  • Zu erwartende Mietausfälle (Einzelfallprüfung),
  • Ablagern von Fremdmaterial,
  • Zukunft der Abbaugebiete

Allerdings hatte Herr Remy für alle diese Punkte schon die passenden Gegenargumente, so dass sich bei den Betroffenen allgemein Resignation breitzumachen scheint. Dies ist möglicherweise jedoch genau das, was von einigen gewünscht wird. Auch wenn man den subjektiven Eindruck gewinnt, daß Herr Remy zur Unterstützung der Abbauforderung anwesend war, die Beantwortung der Fragen zur Rechtfertigung der Gemeindevertretung diente, und der Abbau somit schon eine beschlossene Sache ist: Jeder einzelne, ob direkt betroffen oder nicht, sollte sich mit all seinen ihm rechtlich und legal zur Verfügung stehenden Mitteln gegen diese starke Beeinträchtigung seiner Lebensqualität wehren!

Denn: Wir haben nur diese eine Leben und wollen auch den nächsten Generationen eine vernünftige Existenz in unserm (noch) schönen Heimatort ermöglichen.


Kopien dieses Artikels erhalten:


Interessante Links zum Thema Gesteinsabbau: